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Seiteneinsteiger in der Pioniertruppe.

Ein Auftrag, Zwei Oberleutnante.

Am 01.Juli 2020 haben wir uns in der Hauptfeldwebel-Lagenstein Kaserne (HLK), in Hannover, zu unserer Grundausbildung gemeldet. Es sollte ein neuer Schritt für uns sein, auf in ein Abenteuer. Raus aus dem Alltagsgrau und rein ins Grün!

Wir, das sind Viktor Borgens (B), 32 Jahre alt, Oberleutnant und Bauingenieur-Fachrichtung konstruktiver Ingenieurbau und Philip Großmann (G), 27 Jahre alt, Oberleutnant und Bauingenieur- Fachrichtung Energietechnik und Spezialtiefbau.

Während seines 23-monatigen freiwilligen Wehrdienstes (2010-2012) lernte B die Bundeswehr als spannenden und attraktiven Arbeitgeber kennen. Die Neuausrichtung der Bundeswehr und die daraus resultierende Aussetzung der Wehrpflicht, sowie die Reduzierung der Personalstärke der Bundeswehr waren in seiner Einheit, in der Feldjägertruppe, stark zu spüren und führten zu Unsicherheiten über alle Dienstgradgruppen hinweg. So entschied sich B den Antrag für die Laufbahn der Offiziere nicht einzureichen und ein ziviles Studium aufzunehmen. Jedoch war er stets stolz Staatsbürger in Uniform zu sein und das Thema Bundeswehr ließ ihn nie los. Aus diesem Grund vereinbarte B einen Termin bei der Karriereberatung der Bundeswehr, die ihm Möglichkeiten aufzeigte, als Seiteneinsteiger mit abgeschlossenem Studium, den Dienst wiederaufzunehmen. Ehrgeiz und Wille waren die ausschlaggebende Motivation zur Bundeswehr zurückzukehren und als Offizier den Streitkräften beizutreten.

„Für mich stand die persönliche Selbstverwirklichung an erster Stelle“. G identifiziert sich mit dem Selbstbild des Soldaten, welches geprägt ist von gesundem Nationalbewusstsein und sportlicher Leistungsbereitschaft. Die Kernkompetenz eines Ingenieurs besteht darin Probleme zu Lösen. Hier lassen sich Parallelen zu den Tätigkeiten eines militärischen Führers feststellen. Entscheidungen treffen, diese begründen und umsetzen.

Allen voran durchliefen wir das reguläre Eignungsfeststellungsverfahren im Assessmentcenter für Führungskräfte der Bundeswehr (ACFüKrBw) in Köln. Die Studienberatung entfiel, da wir bereits einen Bachelorabschluss vorweisen konnten. Aufgrund der bereits vorhandenen Qualifikation und unserer Affinität für Technik entsprach die Einplanung in die Pioniertruppe, aufgrund ihrer vielseitigen Spezialisierungen, voll und ganz unserem Wunsch.

Am 01.Juli.2020 meldeten wir uns wie befohlen am Meldekopf in der HLK, wo eine verkürzte, achtwöchige Grundausbildung (GA) stattfinden sollte. Von diesem Zeitpunkt an begann die viermonatige Eignungsübung, aufgeteilt in zwei Monate Grundausbildung und zwei weitere Monate Truppenpraktikum auf dem zukünftigen Dienstposten.

Wir fanden uns hier in einem durchweg heterogenen Kameradenkreis von Seiteneinsteigern wieder. Unterschiede stellten wir in den Punkten Alter, Fachqualifikation und zukünftige Verwendung fest. Die Altersspanne reichte von 23 bis 52 Jahre. Überwiegend waren die Studienrichtungen IT, Ingenieurwesen sowie Sport und Gesundheit vertreten. Viele Kameraden konnten bereits Arbeitserfahrung als Geschäftsführer bzw. Abteilungsleiter vorweisen. Dies zum Teil auch im internationalen Bereich. Diese Kameraden sollten in Zukunft ihren Dienst in den Kommandos und Ämtern der Bundeswehr verrichten. Die vorläufigen Dienstgrade wurden jeweils den Abschlüssen und der Berufserfahrungen angepasst und verteilten sich von Oberleutnant bis Oberstleutnant.

Im Laufe der acht Wochen wurde uns das Grundrüstzeug eines Soldaten mit auf dem Weg gegeben. Wir stellten fest, dass die GA den vorläufigen Dienstgraden und den geplanten Verwendungen entsprechend angepasst wurde. Sport war zwar prägend für die GA, bildete allerdings keinen Schwerpunkt. Dieser belief sich auf das korrekte Verhalten eines Soldaten im Sinne von Umstellen von zivil zu militärisch, Gefechtsdienst und das Vermitteln von Informationen im Plenum. Die GA war gut strukturiert und zweckmäßig.

Nach erfolgreichem Abschluss der GA folgte die Versetzung in unsere Stammeinheit, der 4./ Panzerpionierbataillon 1. Hier konnten wir uns in den ersten Wochen ein umfangreiches Bild über die Fähigkeiten der Pioniertruppe machen und entwickelten ein starkes Interesse für die Kampfmittelabwehr.

Im weiteren Verlauf unseres Truppenpraktikums war es zweckmäßig uns in die Abholpunkt-Ausbildung I-III in Holzminden einzubinden, um die verkürzte GA zu ergänzen und vollumfänglich das allgemeine Soldatenhandwerk zu erlernen. Entsprechend unseres Dienstgrades wurden wir in verschiedenen Ausbildungsabschnitten stets in Führungsverantwortung gestellt. Höhepunkt der Ausbildung bildete der Truppenübungsplatzaufenthalt in Munster-Bergen mit einer fordernden und zugleich unvergesslichen Durchschlageübung.

Das Jahr 2020 startete für uns mit dem Offizierlehrgang für Seiteneinsteiger (OLS) in der Graf-Stauffenberg-Kaserne (GSK), in Sachsens Landeshauptstadt Dresden. Hier meldeten wir uns in der VII. Inspektion und wurden in den fiktiven Stab des Jägerbatallion 74, in die Stabsabteilungen eins und vier, eingeteilt. Interessant war das Wiedersehen und der Erfahrungsaustausch mit den Kameraden aus der GA, sowie das Kennenlernen weiterer Lehrgangsteilnehmer aus den Organisationsbereichen CIR, Luftwaffel und Marine. Im Modul „Führung im Einsatz“ bearbeiten wir selbstständig, über den gesamten Lehrgangszeitraum, eine Rahmenlage mit einem fiktiven Katastrophenalarm. Hierbei handelte es sich um eine Schneekatastrophe, welche sich im Laufe des Lehrganges dynamisch zu einer Hochwasserkatastrophe im Raum Nord- und Ostdeutschland entwickelte. Unsere wesentliche Leistung bestand darin einen Einsatzverband für die Katastrophenhilfe aufzustellen. Entscheidend für den Erfolg war die Anwendung des „Führungsprozesses der Bundeswehr“. Mit Hilfe „Grundlagen der Stabsarbeit“ konnten wir in dieser Lage realitätsnah, Entscheidungen aus dem Führungsprozess in den jeweiligen Stabsabteilungen anwenden. Weitere Lehrgangsinhalte waren eine umfassende Ausbildung in den Bereichen Wehrrecht und politische Bildung, jedoch kamen Inhalte aus dem Bereich Militärgeschichte deutlich zu kurz und wesentliche Teile der „Taktik“ waren nicht vorhanden.

Der OLS findet in Form der kompetenzorientierten Ausbildung (KOA) statt. KOA verfolgt den Ansatz der sogenannten vollständigen Handlung, die aus den zu bewältigenden Elementen Informationsgewinnung, Planung, Entscheidung, Durchführung, Kontrolle und Reflektion besteht.

Wir nahmen den Dienst an der Offizierschule des Heeres (OSH), im Lehrgang „Sprachausbildung Englisch“, wieder auf. Die OSH hat die Entscheidung getroffen den Lehrgangsbetrieb wiederaufzunehmen, damit den Teilnehmenden keine Nachteile in Ihrer Laufbahn entstehen. Dies wurde umgesetzt mit einer maximalen Hörsaalstärke von zehn Soldaten, dem Tragen der Maske in allen Gebäuden und dem Einhalten von einem Mindestabstand von 1,5m. Zudem wurde die Ausbildungsstärke an der GSK auf ein Maximum von 600 Soldaten beschränkt.

Aufgrund unserer Qualifikationen als Bauingenieure plante uns das Bundesamt für Personalwesen der Bundeswehr (BAPersBw) in den Lehrgang „Infrastruktur Inland“ ein. Dies fand im „Mutterhaus der Pioniere“, im Ausbildungszentrum der Pioniere (AusbZ Pi) in Ingolstadt statt. Aufgrund von Covid-19 fiel dieser Lehrgang außerplanmäßig in den Zeitraum der Sprachausbildung Englisch. Während der zweiwöchigen Prüfungsphase nahmen wir parallel, sofern zeitlich möglich, an den Vorlesungen des Infrastrukturlehrganges per Videokonferenz (WebEx) teil. Wir erwarben Fähigkeiten im Erstellen von Bauunterlagen und Pflegen von Datenbanken. Des Weiteren lernten wir die infrastrukturelle Gliederung der Bundeswehr und deren Prozesse kennen.

Nach erfolgreichem Abschluss des Lehrgangs Infrastruktur Inland qualifizierten wir uns für den Folgelehrgang „Infrastruktur Einsatz“. Dieser fand in einer einwöchigen Videokonferenz- und einer einwöchigen Präsenzphase statt. Hier hat das AusbZ Pi unserer Meinung nach eine gute Lösung für die aktuelle Lage gefunden. Es konnten unkompliziert weitere Vortragende aus diversen Ämtern und Referaten zugeschaltet werden, was die Online Vorträge abwechslungsreich und interessant gestaltete. Schwerpunkt war die Umsetzung von Infrastrukturmaßnahmen im Einsatzland, dies auch als Leiter eines Baubüros und den damit verbundenen Herausforderungen.

Nach absolviertem Lehrgang erfolgte die Rückkehr nach Holzminden. Wir wurden auf unseren zukünftigen Dienstposten eingesetzt und der Kompanieführung zugeteilt. Wir unterstützen den Kompaniechef und sammeln wertvolle Erfahrung im Tagesdienstgeschäft einer Kompanie. Voller Erwartungen blicken wir dem Offizierlehrgang 3 entgegen, der uns im Jahr 2021 bevorsteht. Gerne würden wir den Weg in die Fachrichtung Kampfmittelabwehr einschlagen, um unsere Kenntnisse der Naturwissenschaften und unser technisches Verständnis in die Truppe einzubringen.

Wir freuen uns auf einen weiteren Aufenthalt in Ingolstadt und eine lehrreiche sowie spannende Zeit in dieser abschließenden Ausbildung.

Oberleutnant Viktor Borgens, Oberleutnant Philip Großmann 4./PzPiBtl 1