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Pionierkameradschaften – Ingolstadt

Pionierkameradschaften – Quo vadis?

Im folgenden Beitrag werde ich das Thema aus Sicht eines Vorsitzenden einer Pionierkameradschaft mit Truppe am Standort betrachten.

Der Blick in die Geschichte

Die Pionierkameradschaft Ingolstadt wurde 1898 gegründet, also noch weit vor dem ersten Weltkrieg. So wenig wie beide Weltkriege nicht zur Auflösung führten, so mehr war die jeweilige Zeit nach einem Weltkrieg für die Pionierkameradschaft eine wichtige Zeit, hier hat sie ihr Ziel, ihre Daseinsberechtigung unter Beweis stellen können und die Kameraden konnten in der Kameradschaft ein Stück „Geschichte“ bewahren und persönliches Erleben gemeinsam verarbeiten.

Mit der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland wurde auch Ingolstadt wieder ein Standort, und wie sollte es auch anders sein, auch ein Standort der Pioniertruppe. Unmittelbar nach dem Einzug des ersten Verbandes – dem späteren Pionierbataillon 10 – haben die Soldaten der Bundeswehr Verbindung zu den „Veteranen der Pioniere“ aufgenommen. Die Bataillonskommandeure, Kompaniechefs und besonders die alten Unteroffiziere waren traditionsbewusst und es gelang der Pionierkameradschaft verhältnismäßig schnell, mit den Pionieren der Bundeswehr in Verbindung zu kommen

So war die Kameradschaft geprägt durch die Begleitung eines jungen Pionierstandortes und dessen Truppenteilen. Insbesondere die Offiziere und Unteroffiziere des Pionierbataillons 10 wurden Mitglied in der Kameradschaft. Es gehörte zum guten Ton, zum soldatischen Grundverständnis eines Kommandeurs, eines Kompaniechefs, eines Kompaniefeldwebels, Mitglied in der Pionierkameradschaft Ingolstadt zu sein. Es entwickelte sich eine rege und intensive Zusammenarbeit und Unterstützung der Kameradschaft mit der aktiven Truppe. Die Zeit war geprägt von einem kameradschaftlichen Miteinander zwischen aktiver Truppe und der Pionierkameradschaft.

Aber bereits 13 Jahre später, bei Aufstellung des Amphibischen Pionierbataillon 230 sah die Lage schon anders aus, nur wenige Angehörige des Bataillons wurden Mitglied in der Pionierkameradschaft. Über die Gründe kann man nur spekulieren. Trotzdem hatte die Pionierkameradschaft Anfang der 1990er Jahre 250 Mitglieder.

Die Zeit ab 1990, geprägt durch die Reduzierung der Bundeswehr und den Beginn der Auslandseinsätze, war auch verbunden mit der Auflösung zahlreicher Pionierbataillone. So wurde am StO Ingolstadt 1992 die Truppenfahne des PiBtl 10 und 2002 die des sPiLehrBtl 230 endgültig eingerollt. Erst mit Umzug der Pionierschule von München nach Ingolstadt in 2009 und des GebPiBtl 8 aus Brannenburg nach Ingolstadt in 2010 ist der StO Ingolstadt wieder Heimat für die Pioniere.

Aufgabe der Pionierkameradschaften

Die Kernaufgabe der Pionierkameradschaft ist es, die Brücken zwischen Jung und Alt, Aktiven und Ehemaligen zu schlagen. So sagt es unsere Satzung, als Zweck ist darin u.a. festgelegt:

– die Kameradschaft unter den Mitgliedern zu vertiefen,

– den Zusammenhalt der aktiven Pioniere am Standort mit den ehemaligen Pionieren zu fördern.

Bild1: Info-Stand am Tag der Bundeswehr

Die Situation heute

Die Pionierkameradschaft Ingolstadt ist eine der Mitgliederstärksten im BDPi, sie hat einen vollständigen Vorstand, es ist sogar ein aktiver Soldat des Ausbildungszentrums Pioniere im Vorstand, 2 aktive Soldaten wirken im Beirat mit. Als ich im Jahr 2015 den Vorsitz übernommen habe, hatte die Kameradschaft 168 Mitglieder, der Altersdurchschnitt betrug 68 Jahre. Die Mitgliederzahl und der Altersschnitt sind seitdem konstant geblieben. Es ist zwar gelungen, den Mitgliederschwund durch Tod durch Mitgliedergewinnung auszugleichen, jedoch trägt der geworbene „Nachwuchs“ nicht zur Verjüngung bei. Regelmäßig nehmen etwa 20 bis 30 Mitglieder an den angebotenen Veranstaltungen teil, die meisten über 70 Jahre alt.

Wir sind nun in der glücklichen Lage, weiterhin aktive Truppenteile am Standort zu haben.

Die Pionierkameradschaft ist mit der Fahnenabordnung bei Appellen des AusbZPi (Obersten Appell, Kommandoübergaben) sichtbar vertreten, die aktive Truppe unterstützt bei der Durchführung der Gedenkfeier der Kameradschaft am Volkstrauertag.

Bild 2: Fahnenabordnung beim Appell Pionierschule (ehem. AusbZPi)

Aber: trotz intensiver Werbemaßnahmen gelingt es nur in Einzelfällen, Mitglieder zu werben. Bei Tagen der offenen Tür bzw. Tagen der Bundeswehr in den vergangenen Jahren gelang es zwar eine erkleckliche Zahl von Neumitgliedern zu gewinnen. Aber es waren keine Pioniere der beiden aktiven Verbände, sondern ehemalige Soldaten der ehemaligen Pioniertruppenteile am StO. Zudem ist festzustellen, dass diese neuen Mitglieder sich bisher eher nicht aktiv in die Vereinsarbeit einbringen.

Eine echte Bindung der aktuellen Truppenteile zur Pionierkameradschaft ist bis heute nicht gewachsen. Das hat vielerlei Gründe. Für viele Offiziere und Unteroffiziere ist das Ausbildungszentrum nur eine Durchgangsstation, somit entfällt in der Regel auch der Umzug an den neuen Standort, man wird zum Wochenendpendler. Wenn dann selbst die Mitgliedschaft in der Offiziersvereinigung zur Ausnahme wird, was will man dann bei der Pionierkameradschaft. Und die Gebirgspioniere fühlen sich eher zur Gemeinschaft der Gebirgsjäger hingezogen bzw. sind auch vom Kameradenkreis der Gebirgstruppe umworben. Das hohe Durchschnittsalter wird es auch zukünftig erschweren, Mitglieder zu finden, die Verantwortung im Vorstand übernehmen.

Wie können wir die Pionierkameradschaft zukunftsfähig machen?

Die Pionierkameradschaften sollen Brücken schlagen zwischen Jung und Alt, Aktiven und Ehemaligen. Wie soll das funktionieren, wenn die Kameradschaften überaltert sind und wenn kaum Aktive dabei sind. Gespräche und Erfahrungsaustausch finden nicht statt, ich behaupte, dass sie auch nicht angestrebt werden. Dazu sind die Generationen mittlerweile zu unterschiedlich. Die „Alten“ sind geprägt durch die Zeiten des Kalten Krieges, haben im Regelfall Auslandseinsätze nicht mehr erlebt. Die Aktiven haben die Erfahrungen der Auslandseinsätze und machen Vieles anders. Da ist es schwer, eine Gesprächsgrundlage zu finden. Aber vielleicht ist die Ausrichtung auf Landes-/Bündnisverteidigung hier eine neue Chance, denn davon können die „Alten“ noch berichten.

Wenn schon nicht über Traditionsbewusstsein, wie können wir Nachwuchs ansprechen. Müssen wir die Pionierkameradschaften attraktiver gestalten? Müssen wir Programme anbieten, die für die Jüngeren attraktiv sind? Einzig greifbares Ergebnis einer Gesprächsrunde zu diesem Thema mit Aktiven vor 4 Jahren war, dass die Kameradschaft ja mal ein ADAC-Sicherheitstraining organisieren könne! So wird der Vorstand zwangsläufig das Programm an den Interessen der (interessierten) Mitglieder orientieren und das sind die „Alten“ und nicht die Jungen.

Bild 3: Historische Weiterbildung (Festungsrundgang Ingolstadt)

Somit bleibt mir nur das Fazit: Unter den geschilderten Umständen und Rahmenbedingungen wird die Pionierkameradschaft auf Dauer eine ungewisse Zukunft haben – trotz aktiver Truppe am Standort.

Pionierkameradschaften müssen zur Heimat der Pioniere werden – für die aktiven und ehemaligen Angehörigen der Truppengattung gleichermaßen. Dieses Verständnis muss aber in der Truppengattung gewollt sein, dann gefördert werden und sich entwickeln.

In Zukunft sollte es gelingen, vor allem die aus dem aktiven Dienst ausscheidenden Pioniere zu gewinnen. Aus meiner Sicht suchen viele für den anstehenden Ruhestand bzw. die Zeit nach dem Dienst die Möglichkeit, Verbindung zu halten, über gemeinsam Erlebtes zu sprechen, Kameradschaft über das Dienstzeitende hinaus zu leben. Wir sollten dies nicht nur dem Reservistenverband überlassen.

Es muss den Pionierkameradschaften gelingen, Zugang zu dieser Zielgruppe zu haben. Neben der persönlichen Kenntnis der möglichen Kandidaten ist aber auch die Unterstützung der aktiven Truppe erforderlich, trotz aller berechtigten Auflagen des Datenschutzes. Es sollte doch möglich sein, dass die Disziplinarvorgesetzten, Kompaniefeldwebel und das S1-Personal auf die Möglichkeit der Mitgliedschaft in der Pionierkameradschaft hinweisen oder ggf. eine Informationsveranstaltung dieser anstoßen. Idealerweise ist einer der genannten im Vorstand der Kameradschaft vertreten.

Fazit

Sollte in der Truppengattung kein Umdenken zu Traditionsbewusstsein und Umgang mit den ehemaligen Pionieren stattfinden, sind die Pionierkameradschaften vom Aussterben bedroht. Ich denke, dass man das Bestehen in Zukunft nicht alleine dem Bemühen der Kameradschaften überlassen kann. Vielmehr müssen diese durch die Aktiven mehr wahrgenommen und unterstützt werden. Und wir sollten Pionierkameradschaften auf eine breitere Basis stellen, es sollte an jedem Pionierstandort eine Kameradschaft/Gemeinschaft existieren.

Peter Metzger
Oberstlt. a.D.
Vorsitzender Pionierkameradschaft Ingolstadt