Zum Inhalt springen

PiBrBtl 130 – PolBil in Frankreich

Was ist planbar, was machbar und zielführend?

Die Frage des soldatischen Entscheidens und Handels geht unter anderem auch über in die Sinnfrage und zeitgebundene Betrachtung. Hochintensive Gefechte der Weltkriege bieten anschauliche Beispiele, die bei der Beantwortung der Eingangsfrage helfen.

Erlebnisorientierte Vermittlung erzielt Lernerfolge, die wiederum zur gemeinsamen Erfahrung führen. In diesem Sinne gab es an der Somme und in der Normandie ein abwechslungsreiches Programm für die Unteroffiziere der 2. Kompanie des DEU/GBR Pionierbrückenbataillons 130. Hier liegen Schlachtfelder, die für die historisch Bildung und die militärgeschichtlichen Zusammenhänge besonders lehrreich sind.
In Nord-Frankreich, an der kurvenreichen Somme, die im Gefechtsabschnitt der Schlacht von 1916 bei PERONNE die Grenze zwischen dem britischen und französischen Angriffsabschnitt bildete, war der erste Halt. Nach dem Blick ins Gelände ging die Fahrt zum südafrikanischen Denkmal in LONGUEVAL sowie dem zentralen britischen Ehrenmal THIEPVAL, einem 46 m hohen Torbau mit 72.000 Namenseinträgen weiter. Die beiden Commonwealth-Gedenkstätten gehören seit 2023 zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Am 1. Juli 1916 begann nach 10tägigem Trommelfeuer mit 1,5 Millionen Granaten der britisch-französische Angriff an der Somme. Im starren Anrennen gelang zwar ein Einbruch in die deutschen Stellungen, doch allein in der ersten Stunde starben 8.000 Soldaten der britischen Armee. Von den 120.000 Angreifern sind fast 20.000 gefallen, weitere ungefähr 40.000 Briten wurden verwundet oder gefangen genommen. Für Großbritannien war schon dieser erste Angriffstag der verlustreichste der Geschichte. Alles in allem waren es höhere Verluste als alle weltweiten Kriege des Empire von 1815 bis 1914 zusammen.
Daher prägen viele Gedenkstätten mit einer Unmenge an Soldatenfriedhöfen unterschiedlicher Größe und Gestaltung diese Landschaft. Die umkämpften Schützengräben sind verschwunden, doch einige Erinnerungsstätten zeigen den Frontverlauf. Besonders eindrucksvoll für Pioniere ist der besuchte Lochnagar-Krater, ein 100 m breiter und 21 m tiefer Sprengtrichter. Nach einjähriger Vorbereitung wurde nahe dem Dorf La Boiselle am 1. Juli 1916 die vorderste deutsche Verteidigungsstellung mit 27 Tonnen Sprengstoff pulverisiert.

Lochnager-Krater


Nahe dabei galt ein weiterer kurzer Halt dem deutschen Soldatenfriedhof FRICOURT. Dort sind 17.000 deutsche Gefallene bestattet. Diese Anlage verdeutlichte den Pionieren des deutsch-britischen Bataillons Vergleichsformen nationaler Gedenkkultur. Bei den Briten gibt es blühende Rabatten vor den individuellen Einzelgräbern. Die deutsche Anlage ist eine geschlossene Rasenfläche mit etwa 1.250 einförmigen Grabkreuzen und Vierer-Belegung. Die Masse von 12.000 Gefallenen bergen vier Sammelgräber.
In ROUEN, der Hauptstadt der NORMANDIE, wurde am zweiten Tag eine Pause eingelegt. Der Hinweis auf die Überquerung der SEINE nahm das Ende der Schlacht um die Normandie 1944 vorweg. Rund um ROUEN gelang es Ende August 1944 deutschen Pionieren, geschätzt 240.000 deutsche Soldaten mit 30.000 Fahrzeugen anstelle der zerstörten Brücken mit Fähren den Gewässerübergang zu ermöglichen. Ein kriegswichtiges Ereignis, das weder vorhersehbar noch vorbereitet war. Dieses überlegte, mutige und flexible Handeln vermied den drohenden Verlust erheblicher deutscher Führungs- und Unterstützungstruppen.
Die drei folgenden Tage waren den Kämpfen 1944 in der NORMANDIE vorbehalten. Am ersten Erkundungstag ging es an die Küste, an den sogenannten US-Landungsabschnitt OMAHA-Beach. Indem die Hälfte des Sektors EASY zu Fuß am Strand bei Ebbe begangen wurde, ergab sich die Perspektive der Angreifer. Beim Aufstieg zum US-Soldatenfriedhof COLLEVILLE war die Beobachtungs- und Wirkungsmöglichkeit der Verteidiger erkennbar. Im nächstliegenden Overlord-Museum wird die maßgebliche Bewaffnung beider Seiten ausgestellt. Auch Pioniere aus dem 21. Jahrhundert können dort noch heute die Ausrüstung einer hochtechnisierten US-Armee bestaunen. Mit einer der Wehrmacht überlegenen Technik wurde die Anlandung unterstützt. Pioniermaschinen machten Wegebau und Flugfelder möglich. Als deutscher Bauauftrag überzeugte die Küstenartilleriebatterie LONQUES. Damit wurde eine wichtige und typische Anlage des Atlantikwalls vorgestellt.

Küstenbatterie Lonques


Insgesamt kommt es bei der Reiseplanung auf die gezielte und verbindende Auswahl an, um die Verteidigungskonzeption ebenso wie die Planung der Angreifer an Ort und Stelle exemplarisch nachvollziehbar zu machen. Natürlich gibt es auch Besonderheiten, und ungewöhnliche Beispiele. Dazu gehört der provisorische Hafen Mulberry B in ARROMANCHES.
Der zweite Tag ging an die Orne-Mündung, wo am 6. Juni 1944 als erste Kampfhandlung britische Kommandosoldaten zwei Brücken im Handstreich eroberten. Zusammenhängend wurden die drei britischen Landungsabschnitte abgefahren. So wie die Tagesroute mit einem britischen Soldatenfriedhof, auf dem auch deutsche Gefallene bestattet sind, begann, so endete sie mit dem Besuch des zentralen British Normandy Memorial.

British Normandy Memorial_I


Am dritten Exkursionstag ging es in das Hinterland der Invasionsfront. Die Absicht benannte der fachliche Leiter der Gruppe, Oberstleutnant d.R. Dr. Stephan Kaiser: „Um die Invasionsoperationen in der Normandie zu verstehen, braucht es Perspektivwechsel. Die schmale Anlandungsküste im konzentrierten Waffenwirkungsbereich der Verteidiger musste rasch überwunden werden. Erst das weite Binnenland bot Möglichkeiten zu Durchbruch und Entfaltung. Doch genau dort gab es verteidigungsgünstiges Gelände mit langwierigen deutschen Verzögerungsgefechten. Daher ist eine Betrachtung über den Küstenstreifen hinaus erforderlich. Kriegsgeschichte ist, bei der Rückbesinnung auf Szenarien bei LV/BV, dabei zudem sehr lehrreich“.

An einem Geländebesprechungspunkt und beim Museum auf der Höhe MONT-ORMEL wurden die Bildung und der Ausbruchsabschnitt des Kessels von Falaise im August 1944 behandelt. Die Kleinstadt FALAISE, die bei den Kämpfen durch alliierte Bombardierung weitestgehend zerstört wurde, war zu dem der letzte Besuchspunkt. Das dortige Museum ist daher dem wichtigen und mahnenden Schicksal der Zivilbevölkerung gewidmet.
Mit prägenden Eindrücken, unterstützt durch bestes Wetter, wurde die Rückreise angetreten.

Autor: OTL d.R. Dr. Stephan Kaiser (ZInFü)
Bild: OTL d.R. Dr. Stephan Kaiser (ZInFü)