am Beispiel der Joint Engineer Division im Joint Force Command Headquarters Naples (JFCNP,) ITALIEN
Das Joint Force Command – die operative Ebene der NATO
Das Joint Force Command (JFC) Naples ist, neben JFC Brunssum, eines der zwei klassischen operativen Hauptquartiere in der NATO Kommandostruktur.1 Vorgesetzte Dienststelle ist das Supreme Headquarters Allied Powers Europe auf strategischer Ebene, der Schnittstelle zwischen Militär und Politik. An der Spitze der NATO steht schließlich die politische Führung im NATO Hauptquartier in Brüssel. Die Kosten für die NATO Kommandostruktur werden von allen Mitgliedsländern gemeinschaftlich getragen. Dagegen werden (multinationale) Stäbe der NATO Streitkräftestruktur von den jeweils beteiligten Nationen finanziert und sind überwiegend nur temporär in die Befehls- und Entscheidungsstruktur der NATO integriert.
Das JFCNP umfasst ca. 950 Dienstposten, davon etwa 15 für Generäle oder Admiräle (vom “Ein- bis zum Viersterner”). Dem Stab gehören Soldaten und zivile Mitarbeiter aus 24 NATO Mitgliedsländern an, Arbeitssprache ist Englisch.
Auf Ebene eines JFC werden alle Teilstreitkräfte bzw. Domänen zusammengeführt, und durch den Joint Force Commander koordiniert. Er führt, vereinfacht dargestellt, die ihm unterstellten Hauptquartiere auf taktischer2 Ebene, die sogenannten Component Commands, daher sind dem JFC konzeptionell keine Pioniertuppenteile direkt unterstellt. Das JFC trägt Verantwortung für einen Raum (in NATO – Englisch Joint Operations Area (JOA)), koordiniert also alle Kräfte in diesem Raum und muss daneben die Anschlussversorgung von außerhalb der JOA über enge Koordination zur JSEC3 in Ulm sicherstellen.
1 Gegenwärtig werden im Rahmen der Anpassung der NATO Kommandostruktrur zwei weitere Hauptquartiere auf operativer Ebene, jedoch mit spezifischen Aufträgen, etabliert (das Joint Enabling and Support Command in Ulm, DEU und das Joint Force Command in Norfork, USA, das am 17. Jul 21 seine Einsatzbereitschaft erklärt hat).
2 Die taktische Ebene beginnt bei den Korps- Stäben.
3 Joint Support and Enabling Command
Aufgabenschwerpunkte des JFC
Nach der Annektion der ukrainischen Krim durch Russland 2014 hat die Bündnisverteidigung innerhalb der NATO wieder deutlich an Stellenwert gewonnen und die Vorbereitungen dafür bestimmen einen Großteil der Arbeit im JFC. Die Anzahl der eingestuften Vorgänge hat sich dadurch deutlich erhöht.
Daneben führt das JFC seit seiner Indienststellung (2004) die Kosovo Force (KFOR).
Aktueller Schwerpunkt des Headquarters ist allerdings die Ausweitung der Irak – Mission, die vom NATO Generalsekretär, im Feb 2021 bekannt gegeben wurde.
Die strategische Ausrichtung der NATO Richtung Süden ist mit dem 2017 am JFC Naples neu eingerichtetem “Hub” vorangetrieben worden. Er soll Informationen aus dieser Region zusammentragen und auswerten, Verbindungen knüpfen und durch konkrete Maßnahmen wie z.B. mit Ausbildungsteams einen Beitrag zum Stabilitätstransfer leisten.
Wo finde ich Pioniere im JFC?
Alle Fähigkeiten aus dem Bereich Military Engineering (MILENG), vom Infrastrukturisten, über den “Feld-, Wald- und Wiesen- Pionier” / Combat – Engineer, bis hin zum Kampfmittelabwehr Spezialisten sind in der “Joint Engineer Division” (JENG) zusammengefasst. Die JENG Div. ist dem Deputy Chief of Staff Support zugeordnet, wird von einem Brigadegeneral geführt, untergliedert sich in zwei “Branches” (geführt von je einem Oberst) mit jeweils zwei “Sections” und verfügt über insgesamt 34 Dienstposten (davon vier Deutsche).
Welche Aufgaben hat die JENG Abteilung?
Auftrag ist es, den JFC Commander in allen Belangen des Military Engineering zu beraten. Alle Prozesse des Headquarters von Planung über Durchführung und Controlling / Operations Assessement werden durch JENGs Expertise unterstützt. JENG ist fest in den sog. Battle Rhythm, dem Entscheidungsprozess des Commanders, eingebunden und schlägt ihm, bei Bedarf, Möglichkeiten des Handelns zur Entscheidung vor.
JENG setzt für den nachgeordneten Bereich den Rahmen für die Pionierunterstützung, wie zum Beispiel zu erreichende MILENG Effekte, rechtliche Vorgaben, beantragt entsprechende MILENG – Fähigkeiten, Ressourcen und Mittel für Bedarfe, die von der NATO gemeinschaftlich finanziert werden. Anschließend koordiniert JENG die Pionierunterstützung innerhalb der Joint Force zwischen den Component Commands, setzt Prioritäten, aktualisiert gegebenenfalls die Rahmenbedingungen und überprüft kontinuierlich, ob der ursprüngliche Plan für die Pionierunterstützung angepasst werden muss. Dabei kommt der Koordination mit Pionierkräften der Gastnationen (host nation) und den Pionierkräften außerhalb der JOA besondere Bedeutung zu.
Infrastruktur Inspektionen, Capability Packages, Umweltschutz
Die Infrastructure and Environmental Protection Section überprüft NATO finanzierte Infrastruktur in ihrem geografischen Aufgabenbereich, der 13 der südlichen NATO Mitgliedsstaaten umfasst, auf deren Einsatzbereitschaft. Dazu führt sie in regelmäßigen Abständen sog. Operations and Maintenance Inspections durch und unterstützt bei Bedarf bei der Abnahme neu errichteter Einrichtungen. Bei der Entwicklung neuer NATO Infrastrukturfähigkeiten im Rahmen sogn. Capability Packages arbeitet die Section mit Assessments zu oder ermittelt und schlägt den Bedarf, der sich aus Planungsaufträgen des Headquarters ergibt, selbst vor.
Obwohl Umweltschutz letzten Endes eine nationale Angelegenheit ist, stellt die Section sicher, dass er bei der Planung und Durchführung entsprechend berücksichtigt wird.
Ebenfalls in der Section aufgehangen ist das Requirement Review Board des Deputy Chief of Staff SUPPORT. Das Gremium entscheidet grundsätzlich über alle Bedarfe, egal ob zusätzliche Informationstechnik, Personal oder Infrastruktur benötigt wird.
Operationsplanung, Übungsvorbereitung, Grundsätze und Vorschriften
Am Anfang jeder NATO Operation oder Mission steht die Planung, die in einen Operationsplan (OPLAN) mündet. Verantwortlich für die Erstellung von Operationsplänen ist die Planungsabteilung oder kurz J5. Hauptauftrag der Plans, Doctrine and Policy Section innerhalb JENGs, ist dabei die Unterstützung von J5 und die Erstellung des Pionierbeitrags für den OPLAN, der sowohl reine Pionierprodukte, als auch Beiträge zu Produkten anderer Abteilungen umfasst. Zweiter Auftrag ist die Vorbereitung des Pionieranteils für Übungen, wobei das JFC alle zwei Jahre seine Befähigung zum Führen der NATO Response Force in einer großen computer- und simulationsgestützten Stabsübung nachweisen muss. Schließlich arbeitet die Section an der Fortschreibung aller MILENG spezifischen Vorschriften und überprüft die Pionieranteile-/-passagen in allen anderen Vorschriften (z.B. Allied Joint Publication 5 Operationsplanung) und Konzepten.
Informationsaufbereitung und Kampfmittelabwehr
Zuverlässige Informationen sind Grundlage sowohl für Planung als auch für die Durchführung von Operationen. Die JENG Intelligence, Information and Explosive Ordnance Disposal (EOD) Section sammelt pionierspezifische Informationen, bewertet diese, leitet Folgerungen ab und stellt ihre Ergebnisse den anderen Sections für deren Arbeit zur Verfügung. Dazu ist die Section stets in Kontakt mit der J2 (Aufklärung) – Abteilung des JFC, in deren Systeme sie voll eingebunden ist.
Die in der Section eingebundene EOD – Zelle macht Vorgaben für alle EOD Kräfte der Joint Force, sammelt und bewertet deren Meldungen und leistet einen wichtigen Beitrag zu hauptquartierweiten Counter –Improvised Explosive Device (C-IED) Anstrengungen.
Koordination und Synchronisation
Der Entscheidungsprozess des JFC Commander wird seitens JENG im Wesentlichen von der Engineer Operations & Synchronization Section unterstützt, die in diesem Zusammenhang beispielsweise auch im Targeting – Prozess involviert ist und dabei im Schwerpunkt alle infrastrukturellen Effekte des Targeting berücksichtigt. Die Engineer Operations und Synchronization Section stellt sicher, dass sämtliche Pionieraspekte während der Durchführung von Operationen und Mission berücksichtigt werden, weshalb sie eng mit der J3 Abteilung des JFC zusammenarbeitet. Im Auftrag des ACOS JENG synchronisiert und koordiniert sie alle MILENG relevanten Effekte der Teilstreitkräfte während Übungen und Operationen und berät bezüglich einer möglichen Verschiebung des Pionierschwerpunktes. Diese Tätigkeit basiert auf der Auswertung der regelmässigen Meldungen und Berichte aller untergeordneten Component Commands, die meist taktischer Natur sind. Diese werden mit den operative Vorgaben verglichen und es erfolgt eine Analyse, ob die operationsübergeifenden Effekte erzielt werden können oder ob MILENG spezifische Aspekte angepasst werden müssen.
Dies stellt sie in Beiträgen zu den Umsetzungsbefehlen sicher.
Fazit:
Pioniererfahrung in NATO-Stäben und in der Multinationalität zu sammeln und dann in unsere Truppengattung einzubringen lohnt sich für den Pionieroffizier, den Pionier-feldwebel und für unsere Truppengattung!
Quellen:
Bilder: Internet, Bundeswehr, JFCNP, Carlo Schnell
Text: Carlo Schnell