Eine neue Ära der Einsatzbereitschaft: Die 3./PzPiBtl 1 bei der multinationalen Übung „Saber Strike“
Holzminden (Pionierkaserne am Solling)
Die Umstrukturierung der Bundeswehr in leichte, mittlere und schwere Kräfte verlangt von den Soldatinnen und Soldaten ein neues Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. So steht auch das Panzerpionierbataillon 1 (PzPiBtl 1) vor der Herausforderung, sich in seiner Rolle in den „mittleren Kräfte“ zu behaupten. Neben der Neuausrüstung erfordert dies auch ein Umdenken im Einsatzwesen: Vom bisherigen Schwerpunkt auf „Internationalem Krisenmanagement“ richtet sich der Fokus nun wieder verstärkt auf die Landes- und Bündnisverteidigung. Im Zuge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat sich der sicherheitspolitische Schwerpunkt Europas deutlich nach Osten verlagert, was die NATO mit neuer Entschlossenheit beantwortet – Deutschland etwa mit der Aufstellung der „Brigade Litauen“.
Um die Einsatzbereitschaft und die Zusammenarbeit im NATO-Verbund zu stärken und das eigene Erfahrungsspektrum weiter auszubauen, wurde eine neue Serie an Verlegeübungen ins Leben gerufen. Mit dem Ziel, auf reale Bedrohungsszenarien und die Bedingungen multinationaler Einsätze vorbereitet zu sein, brach die 3. Kompanie des PzPiBtl 1 Anfang April 2024 zur Übung „Saber Strike“ auf. In einem mehrtägigen Marsch quer durch Deutschland und Polen bis nach Litauen sammelten die Soldaten dabei wertvolle Erfahrungen für die Zukunft.
Der Marsch ins Unbekannte
Am 8. April startete der Konvoi der 3. Kompanie des PzPiBtl 1 in Holzminden. Mit acht Transportpanzern Fuchs und zwei UTF samt Anhängern ging es im Straßenmarsch über Gera auf den amerikanischen Übungsplatz Grafenwöhr in Bayern, wo die Soldaten in alten, einfachen Kasernengebäuden untergebracht wurden. Hier trafen nach und nach weitere Übungsteilnehmende ein, darunter der deutsche Leitverband, das Jägerbataillon 1, Sanitäter, Feldjäger und niederländische Aufklärer. Die kommenden Tage dienten der finalen Koordinierung und Vorbereitung, ehe der eigentliche Marsch am 13. April begann.
Unter Führung des amerikanischen „2nd Cavalry Regiment“ verlegten die multinationalen Truppen aufgeteilt in über 20 Marschbänder durch Deutschland, den größten Teil stellten hierbei die amerikanischen „Stryker“-Züge. Der Konvoi der Pioniere gliederte sich in die Marschbänder des Jägerbataillons 1 ein. An zentralen Knotenpunkten regelten Feldjäger und Polizei den Verkehr, um Verzögerungen zu verhindern. Nach einem ersten Zwischenhalt zum Tanken in der Kaserne in Frankenberg/Sachsen ging es weiter zur polnischen Grenze, wo nach einer Kontrolle die polnische Polizei und Militärkräfte durch diese das weitere Geleit übernommen wurde.
Internationale Zusammenarbeit und unvorhergesehene Herausforderungen
Das erste Ziel in Polen war das „CSC“ („Convoy Support Center“) in der Nähe von Trzebien, wo angrenzend an eine Kaserne mit Containern Unterbringungsmöglichkeiten errichtet wurden. Unser Marschband hatte das Glück, tatsächlich die Nacht dort zu verbringen; durch die stündliche Taktung der Marschbänder hatten nicht wenige ihren notwendigen Schlaf tagsüber. Hinzu kam im weiteren Verlauf im Raum Lask die Unterbringung in einer einzigen großen Sporthalle, wo der durch die fast ohne Unterbrechung ankommenden und abmarschierenden Truppen ohnehin schon gestörte Schlaf insbesondere die Kraftfahrer weiter forderte.
Während des Marsches nach Litauen wurde der Konvoi mehrfach durch vermutlich russische Aufklärungsversuche gestört. Ausspähversuche mit Drohnen, getarnten Wildkameras und Motorradfahrer, die ab der litauischen Grenze versuchten, Fotoaufnahmen des Konvois entlang der Route anzufertigen unterstrichen die Bedrohung, die mit der Nähe zu russischem Territorium einhergeht – und zugleich die Bedeutung einer schlagkräftigen und anpassungsfähigen Verteidigung im Verbund mit NATO-Partnern. Über die reine Verlegeübung hinaus, steht hier insbesondere die Passage des Suwalki-Korridors im geopolitischen Fokus, welcher die Grenze zwischen Polen und Litauen darstellt und zugleich das russische Kernland von der Enklave Kaliningrad trennt, welche Russlands einzigen Hafen in die Ostsee beherbergt.
Ausbildung, Austausch und Anpassung an neue Strukturen
Im polnischen Übungsgebiet „Bemowo Piskie Training Area“ angekommen, nahmen die Soldaten der 3./PzPiBtl 1 an einer intensiven Ausbildungswoche teil. Die Kooperation mit dem Jägerbataillon 1 ermöglichte gegenseitige Ausbildungseinheiten: Während die Pioniere die Jäger in den Grundlagen des Pionierdienstes, wie dem Anlegen von Sperren schulten, wurden sie wiederum durch die Jäger im Orts- und Häuserkampf trainiert. Durch die Neustrukturierung hin zu „mittleren Kräften“ gewinnt der Pionierdienst aller Truppen zunehmend an Bedeutung. In überdehnten Räumen mit einem zugleich verminderten Personalansatz ist die Kampftruppe zunehmend selbst in der Pflicht, gemeinsam mit den Pionieren einen sperrstarken Einsatz zu gewährleisten.
Die Übung „Saber Strike“ verdeutlichte eindrucksvoll, wie vielschichtig die Anforderungen an die neuen, hochmobilen Strukturen der Bundeswehr und ihrer NATO-Partner sind. Mit jedem zurückgelegten Kilometer auf der über 2.300 Kilometer langen Route konnten die Soldaten ihre Einsatzbereitschaft und Flexibilität unter realitätsnahen Bedingungen weiter steigern.
Eine Übung von historischem Ausmaß
Noch nie in der Geschichte der Bundeswehr wurde eine Verlegeübung über eine so große Distanz in so kurzer Zeit durchgeführt. Dank der umfassenden logistischen Unterstützung des Versorgungsbataillons 7 gelang es, die ohnehin geringen Fahrzeugausfälle schnellstmöglich wieder in Stand zu setzen und den strikten Zeitplan einzuhalten. Im Rahmen von „Saber Strike“ wurde eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit der neuen Kräftekategorie „mittleren Kräfte“ demonstriert, die zukünftig – umso mehr nach Einführung beräderter Substitute für derzeit rein kettenbasierte Pionierfähigkeiten (BIBER, DACHS, KEILER) – eine zentrale und entscheidende Rolle in der NATO-Landes- und Bündnisverteidigung.
Die Übung unterstrich nicht nur die militärischen Fähigkeiten der deutschen Pioniere, sondern auch die strategische Notwendigkeit multinationaler Kooperation in einer zunehmend unsicheren Welt. „Saber Strike“ ist ein weiteres Beispiel für das Engagement der Bundeswehr in der Landes- und Bündnisverteidigung und ein entscheidender Schritt in der Anpassung an die neuen Anforderungen der NATO.
„Anker – Wirf!“
Text: Hptm Scholt, 3./PzPiBtl 1